EN see below Subversive Klassik-AvantgardeUnd das Flanieren zwischen Komposition und Improvisation Sie selbst prägten den Begriff „subversive Klassik-Avantgarde“. Sitzen Sie stilistisch mit Ihrer Musik zwischen Klassik, Jazz, Komposition und Improvisation nicht ein bisschen zwischen den Stühlen? Wenn bei der Entstehung von Musik verschiedene Ausrichtungen und Ansätze zusammenfließen, entsteht ein „weites Land“. Daraus zu schöpfen vermag ich dann, wenn ich mir die Aufgabe stelle, mir selbst Pionier zu sein. Zudem weist 23 (Quersumme = 5) auf die 5. Saite des Cellos hin. Und die „5“ wirft ein Auge auf den „goldenen Schnitt“, wo eine Form von „Balance“ entsteht – auch wenn tonal „Dissonanz“ vorherrscht. Beim Hören von sog. dissonanten Klängen ist spürbar, dass im tiefsten Kern Konsonanz mitströmt; oder: Bei Oberton-Gebilden bedingt „das eine“ ohnehin „das andere“, man kann sagen, die Spannung überspannt oder unterlagert die Entspannung und umgekehrt.Wie war Ihr persönlicher Werdegang? Man lernt Cello, geht auf ein Konservatorium … Richtig. Mit sechs Jahren habe ich mit dem Cellospiel begonnen und hab mich zunächst im klassischen Bereich entwickelt, eine Karriere als Kammer- oder Orchestermusikerin hätte mir aber wenig entsprochen. Damals war schon das Ungestüm-Subversive am Werk und meine Hinwendung zum Experiment, auch zur Neuen Musik, zum Jazz. Aber ich empfinde große Liebe zur Klassik und zur Barockmusik. Mit 17 habe ich einige Jahre pausiert. Als ich danach das Cello neu entdeckte, war mir klar, dass ich ein neues „Feld“ erarbeiten möchte und auch „muss“. In Wien habe ich mich am Konservatorium mit Jazz befasst, konnte einiges profitieren, jedoch nur „bedingt“. Meine Art und Weise, Dinge zu „untersuchen“, stand jenseits der Unterrichts-Konformitäten.Trotz Verstärkung bleibt das Instrument das was es ist – eben ein Cello. Man hört alte und dann wieder sehr avancierte Spieltechniken, Obertonspiel, erlebt Feinheit, Stille, dann wieder zupackende Aggression. Durch Verausgabung in der „Aggression“ wird auch die Zartheit ihren Platz einnehmen können. Dualitäten zu konfrontieren, sie allenfalls zu verbinden, schafft machtvolle Intensität.Große Phonstärken, Noise – wäre das was für Sie? Wenn das Herz offen ist für die Musik, können Ohren sehr viel aufnehmen! Ich liebe die lautstärkenmässigen Extreme, es hat etwas Befreiendes, doch ich muss nicht um jeden Preis in diese Richtung anschieben. Manchmal verwende ich die von Veranstaltern an die ZuhörerInnen verteilten Ohropax, je nach Konzert-Situation und Befindlichkeit.In der Version mit Sextett wurde das Spektrum des Celloklangs auf andere Instrumente erweitert, es gab aber auch improvisierte Solobeiträge der anderen Musiker. Wie ist das Verhältnis Komposition/Improvisation? Zuerst wollte ich die Klanglichkeiten und den Ablauf genauer festlegen, dann habe ich entschieden, den Improvisationsraum mehr zu öffnen, den einzelnen Musikern zu überlassen, wie sie mit dem Tonmaterial umgehen. Dieser Aspekt von Freiheit und Risiko ist mir unbedingt ein Anliegen.Aus welchen Szenen kommen die Musiker(innen), mit denen Sie häufig zusammen spielen? Wenn ich mich auf das Sextett beziehe: Martin Ptak (Posaune) und Markus Mayerhofer (Gitarre und Elektronik) sind relativ stark im Jazz und in der Neuen Musik verankert, zudem bilden die beiden ein Trio mit Christian Gonsior (Saxophon): Dieses Trio bearbeitet zur Zeit Filmmusik. Pia Palme (Subbässe, Bassblockflöten und Elektronik) kommt aus der Klassischen und Neuen Musik, hat sich von der strengen Linie längst befreit. Mit dem Schlagzeuger Erwin Schober – seine Stärken führen zum Drum’n’Bass und „Balkan-Jazz“ („Fatima Spar & the Freedom Fries“) – kam ich über Festspiel- und andere Produktionen mit Karin Beier in Kontakt (sie wird ab 2007 als Intendantin die Leitung des Schauspiels Köln übernehmen). Zudem ist Schober mein Schlagzeug-Partner bei der Baudelaire-Produktion „Spleen de Paris“. Mit Schober und Palme arbeite ich oft im Trio zusammen.Wollen Sie beim Musizieren in der Gruppe Ihr persönliches Profil eher weiter durchziehen, auf die Gruppe erweitern? Natürlich geht es um die Erweiterung in der Gruppe. Das fließende System auf der einen und der strukturelle Part auf der andern Seite fordern sich solistisch als auch im Ensemble heraus. Ich möchte mich dem „Ozeanischen Prinzip“ aussetzen im Sinne von Arbeit mit „dionysischer Bewegtheit“.Wie haben Sie zu Auftrittsmöglichkeiten gefunden? Durch Akquisition und Networking. Auch durch meine Hinwendung zur Literatur und zum Wiener Burgtheater entstanden weitere Entwicklungsmöglichkeiten.Die Themen und Partner waren ja spannend: Thomas Bernhard, Queneau, Schlingensief … Auch durch die Arbeit mit dem Burgtheater sind viele Impulse für die eigenen Projekte entstanden. Und spannendes Zusammenarbeiten mit anderen Veranstalter und Auftraggeber, wie die Jeunesse zum Beispiel …… die das von Ihnen konzipierte Baudelaire-Projekt (Spleen de Paris UA 2005) beauftragte, das ab November 2006 im Burgtheater-Kasino zu sehen sein wird … … genau. Und davor haben mich Aufträge und Auftritte, um einige zu nennen, begleitet wie z.B. „Joyce in Dublin“ („Rejoyce Dublin“), Nibelungenfestspiele in Worms, die „Ars Poetica Bratislava“, ein faszinierendes Projekt mit Wolfgang Mitterer...War die Gründung eines eigenen Labels wichtig? Es war insofern wichtig, dass drei CDs auf WKM/Wilde Kammermusik erschienen sind. Die gesamte Abwicklung, Vermarktung und so weiter muss selbst gemacht werden. Kürzlich habe ich überlegt, das Label auch als Plattform für andere Musiker anzubieten.Website gibt’s auch schon? Die entsteht gerade.Machen Sie alles selbst? Ja. Das „Management-Thema“ wird mich dann näher beschäftigen, wenn mich die Aufträge einmal komplett überwältigen sollten. Davor erledige ich die Organisation und Koordination selbst.Ist Wien als Perspektive für Sie attraktiv? Ich lebe schon elfeinhalb Jahre hier und habe meine neue Heimat gefunden. Wien ist eine interessante Kultur-Stadt und hat einen sehr tiefgründigen Charakter. Die Ambition ist natürlich da, vermehrt unterwegs zu sein.Sie sind heuer auch beim Komponistenforum in Mittersill eingeladen. Thematisch geht es um „Kult“ und ich freue mich auf die Begegnung mit vielen Musikern und Komponisten, u.a. Christoph Cech und Christof Dienz. Es werden Konzerte, Workshops, Symposien, Kino und Kommunikationen stattfinden – Musik wird in diesem Rahmen in Mittersill entstehen und ich bin schon sehr gespannt. In Cech's Musik sehe ich eine gewisse Verwandtschaft, was Emotionalität und Ausdruck betrifft.Halten Sie diese Formen nicht so festgelegter Musik zwischen Komposition, Jazz, Experiment als im Zunehmen begriffen? Absolut. Das mica-interview führte Heinz Rögl -- A mica Interview with Clementine Gasser For the first time (in 2005) a woman received the Förderungspreis der Republik Österreich für Musik/Komposition (formerly called just the “State Award”) established in 1971 that has gone to the likes of Friedrich Cerha and Otto M. Zykan. On 13 June 2006 the award went to the Vienna-based Swiss cellist and composer Clementine Gasser, who has won acclaim for her projects involving, among others, the Jeunesse and the Vienna Burgtheater.The award was presented to her for the 5-string cello solo piece “Reading through – Part III” performed by the composer. It is the third part of the seven-part suite “Suite for you” which is also featured on her CD PIONEER 23 (released under her own label WKM/Wilde Kammermusik). In its statement (for the category of ‘free forms of music/improvisation’) the jury speaks of a “strong, individual style … free of modernisms” and of “first-rate instrumental execution”. At the prize winners’ concert at the RadioKulturhaus on 13 June 2006 Gasser presented an extended version of her work with a sextet consisting of jazz and improvisation artists.You yourself coined the term “subversive classical avant-garde“. Are you not falling somewhat between the chairs with your musical style positioned between classical, jazz, composition and improvisation? When different tendencies and approaches converge in the development of a piece of music, a “vast land” is created. I can draw from that if I challenge myself to be a pioneer. The number 23 (the digits add up to 5) is a reference to the 5th string of the cello. And the “5” also refers to the “golden section” where a kind of balance is created – even if there is tonal “dissonance”: when listening to so-called dissonant sounds one feels that there is a consonance resonating in the deepest core; or else, take overtone systems, where “the one” preconditions “the other”, where you could say the tension overarches or underpins the release and vice versa.What was your development? You learned to play the cello, attended a conservatory … Right. I started playing the cello at six and first focused on the classical sphere, but a career as a chamber or orchestra musician would not have suited me really. Even then there was this impetuous-subversive element and my tendency towards experiments, towards New Music and jazz. But I have a great love for the classical repertoire, particularly for Baroque music. At 17 I took a break of several years. When I then rediscovered the cello I realised I wanted and “needed” to open up a new “field”. In Vienna at the conservatoire I looked into jazz. It was beneficial but only up to a certain point. My way of “exploring” things did not fit into the confines of classroom activities.Despite the amplification the instrument remains what it is – a cello. Your listeners hear old and then again very advanced playing techniques, overtone play, they experience subtlety, stillness, and then again unrestrained aggression. Letting loose in “aggression” provides a place also for subtlety. Confronting dualities, perhaps linking them together, creates a powerful intensity.High volume levels, noise – would you like that? When the heart is open for the music, the ears can take a lot! I love extreme volumes, they have a liberating effect, but I am not going there at any cost. Sometimes I use the ear plugs that organisers hand out to the audience; it depends on the concert and my mood.In the sextet version the spectrum of the cello sound was extended by other instruments and there were improvised solos by the other musicians. What is the relationship between composition/improvisation? At first I had wanted to fix the sound aspects and the temporal sequences more precisely, but then I decided to give more room to improvisation and to leave it to the individual musicians as to how they wanted to approach the material. This aspect of freedom and risk is a great concern of mine.From which scenes do the musicians come that you frequently play with? With respect to the sextet: Martin Ptak (trombone) and Markus Mayerhofer (guitar and electronics) are relatively firmly rooted in jazz and New Music, and they also have a trio with Christian Gonsior (saxophone): the trio is currently treating film scores. Pia Palme (sub basses, bass recorder and electronics) hails from classical music and New Music, but has long liberated herself from strict allegiance. I got into contact with the percussionist Erwin Schober – his strengths relate to drum’n’bass and “Balkan-Jazz” (“Fatima Spar & the Freedom Fries”) – through productions for festivals and other productions with Karin Beier (she will take over as head of Schauspiel Köln as of 2007). In addition, Schober is my percussion/drums partner at the Baudelaire production “Spleen de Paris”. I often work with Schober and Palme in a trio.When performing in a group would you like to stick to your personal profile, to extend it to the group? Of course in a group you have to extend things. There is flux on the one hand and structural aspects on the other, and the two are mutually challenging both when playing solo and in an ensemble. I would like to pursue the “oceanic principle” in the sense of working with “Dionysian suppleness”.How did you manage to get performance opportunities? Through PR and networking. My interest in literature and the Burgtheater in Vienna have also opened up further avenues of development.You have worked with exciting themes and partners: Thomas Bernhard, Queneau, Schlingensief … A lot of inspiration for my own projects has been drawn from my work for the Burgtheater. It also led to exciting co-operation projects with other organisers and clients such as the Jeunesse …… which gave you a commission for the Baudelaire project (Spleen de Paris, premiere in 2005) you conceived which will be performed at the Burgtheater Kasino as of November 2006 … … that’s right. And before that there were commissions and stage appearances that included, to name just a few, “Joyce in Dublin” (“Rejoyce Dublin”), the Nibelungenfestspiele in Worms, the “Ars Poetica Bratislava”, a fascinating project with Wolfgang Mitterer ...Was it important to have your own label? It was important in as much as three CDs were released under WKM/Wilde Kammermusik. I have to do the entire process, the marketing and so on myself. I have recently started to consider offering the label as a platform to other musicians.Is there a web site? It is in the making.Do you do everything yourself? Yes. I will start looking more closely at the “management issue” if there should come a point when I am completely overwhelmed by commissions. Until then, I will do my own organisation and co-ordination.Is Vienna an attractive prospect for you? I have been living here for eleven-and-a-half years and it is my new home. Vienna is a wonderful city of culture and it has a very profound, multi-layered character. I do have the ambition, of course, of getting around more.You have been invited to the composer’s forum in Mittersill. The theme is “cult” and I am looking forward to meeting many musicians and composers, including Christoph Cech and Christof Dienz. There will be concerts, workshops, symposia, cinema and communication – music will be created in Mittersill and that fills me with great anticipation. I perceive a certain kinship in emotional and expressive terms in Cech’s music.Do you think these forms of not-so-determined music between composition, jazz, and experiments are on the rise? Absolutely. The mica-interview was conducted by Heinz Rögl
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